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Im Verhältnis zu ihrem Bruttoinlandprodukt zählt die Schweiz zu den Ländern, die am meisten für Forschung und Entwicklung ausgeben. Seit Mitte 2021 behandelt die europäische Union die Schweiz beim Forschungs- und Innovations-Förderprogramm «Horizon Europe» aber nur noch als Drittland. Fundraiso zeigt Forschenden und Fundraisern Alternativen.
«Horizon Europe» nennt sich das mittlerweile 9. Rahmenprogramm für Forschung und Innovation in der EU. Es ist offiziell am 12. Mai 2021 in Kraft getreten. Das Horizon-Budget beträgt rund 96 Milliarden Euro. Es ist somit das grösste Forschungs- und Innovationsförderungsprogramm in der Geschichte der EU. Aufgrund der ausgelaufenen bilateralen Verträge behandelt die EU die Schweiz beim Horizon Europe-Programm nur noch als «nicht assoziiertes Drittland». Das heisst: Forschende in der Schweiz können sich nur an rund zwei Dritteln der Ausschreibungen beteiligen.
Horizon Europe: Projektanträge online wie bisher bei EU einreichen
Mit dem neuen Status als Drittland müssen Bewerberinnen und Bewerber in der Schweiz wie bisher ihre Projekt- und Finanzierungsanträge zuerst auf dem europäischen Funding & Tenders Portal einreichen. Neu jedoch in der Kategorie «nicht assoziiertes Drittland». Die Europäische Kommission finanziert die Projekte aus der Schweiz nicht, aber sie müssen durch die Kommission positiv evaluiert werden. Erst dann kann das Finanzierungsgesuch beim Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) eingereicht werden. Bei Finanzierungsgesuchen wird grundsätzlich zwischen Verbundprojekten und Einzelprojekten unterschieden.
Neben Horizon gibt es in der Schweiz weitere grosse Forschungsförderer wie den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung (Innosuisse). Der Bund ist für die Finanzierung beider Forschungs- und Innovationsförderer zuständig. Auch finanziert er den Verbund Akademien der Wissenschaften Schweiz und unterstützt somit rund 30 Forschungsinstitutionen von nationaler Bedeutung.
Der Schweizerische Nationalfonds für Forschung an den Hochschulen
Der SNF fördert grundsätzlich Forschung an den Hochschulen. Er fokussiert sich auf Bereiche wie Physik, Medizin, oder Soziologie. Der Nationalfonds hat im Jahr 2021 1'800 Projekte mit 876 Millionen Franken unterstützt. Davon wurde gut die Hälfte in die Projektförderung investiert. Nachdem die Schweiz bei Horizon Europe nur noch als Drittland eingestuft wird, hat der SNF vier neue Fördermassnahmen lanciert.
Passendes SNF-Förderinstrument auswählen
Um Förderung zu erhalten, müssen sich Forschende das passende SNF-Förderinstrument aussuchen. Die SNF bietet dazu eine Website mit einer Übersicht der laufenden Förderangebote. Die Anweisungen sind einfach zu finden. In den meisten Fällen muss das Gesuch über das Online-Gesuchsystem mySNF eingereicht werden. Achten Sie darauf, Ihr Gesuch rechtzeitig einzureichen. Über die genauen Eingabefristen können Sie sich auf der SNF Website informieren.
Schweiz und Grossbritannien verstärken Forschungszusammenarbeit
Für Forschende in der Schweiz gibt es mittlerweile etwas Licht am Finanzierungs-Horizont: Am 10. November 2022 unterzeichnete der Bundesrat in London ein Memorandum of Understanding über die Zusammenarbeit in Forschung und Innovation. Ziel ist es, die gute Partnerschaft der beiden Länder in diesen Bereichen weiter zu stärken. So ist das Vereinigte Königreich, gemessen an der Zahl gemeinsamer Projekte im Rahmen von Horizon 2020 der drittwichtigste Partner der Schweiz. Zudem hat der SNF im Zeitraum von Oktober 2017 bis September 2022 gut 1100 Förderungsbeiträge bewilligt, die eine Kooperationskomponente mit Forschenden im Vereinigten Königreich beinhalten oder dort durchgeführt werden.
Wissenschaftsfinanzierung mit Förderstiftungen
Stiftungen sind in der Schweiz eine wichtige Anlaufstelle für Fördergelder in der Forschung. Gemäss dem Verband Swiss Foundations umfassen Förderstiftungen rund die Hälfte aller gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz. Viele Förderstiftungen unterstützen auch Fachhochschulen und Universitäten in der Schweiz mit Forschungsgeld. Alleine die Online-Datenbank von fundraiso.ch umfasst 1358 Förderstiftungen im Bereich Forschung und Wissenschaft. Diese sind zum grössten Teil im Bereich Bildung, Forschung und im Sozialwesen tätig. Manuel Bamert, stv. Leiter der Stabstelle «Forschung und Entwicklung» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sagt dazu: «Im Jahr 2021 waren an der ZHAW total rund 1'400 Projekte im Bereich der angewandten Forschung und Entwicklung aktiv. Davon waren 125 Projekte, also rund 9 Prozent, ganz oder teilweise durch Stiftungen finanziert.» Stiftungen spielen in der Forschungsfinanzierung somit eine wichtige Rolle.
Viele Hochschulen haben interne Ansprechpartner
Viele Universitäten und Fachhochschulen beschäftigen Personal, das auf den teils anspruchsvollen Antragsprozess spezialisiert ist. Lisa Müller, Leiterin Abteilung Forschungsförderung an der Universität Zürich (UZH), sagt: «Verschiedene UZH-Einheiten unterstützen Forschende bei der Einwerbung von Drittmitteln. Dazu gehört die Identifikation von passenden Fördermöglichkeiten und die Beratung und Hilfestellung bei der Erarbeitung von Projektanträgen, ebenso wie die Klärung von administrativen, rechtlichen und technischen Fragen im Vorfeld der Antragstellung.»
So finden Sie die richtigen Stiftungen für Ihre Forschungsprojekte
Es gibt verschiedene Wege, um die richtige Förderstiftung zu finden. Frau Dr. Dr. Elisa Bortoluzzi Dubach, Autorin des Ratgebers «Stiftungen: Der Leitfaden für Antragsteller», empfiehlt: «Zuerst sollten Forschende in den internen Datenbanken nach Stiftungen suchen. Viele grosse Universitäten sammeln in solchen Datenbanken eine grosse Zahl an Stiftungen, bei denen Forschende Anträge stellen können. Ein nächster Schritt wäre, ähnliche Projekte zu analysieren. Es gilt die Frage zu klären: Welche Förderstiftungen unterstützen welche Projekte? Auch die Lektüre der Fachpresse sowie der Newsletter der Fachverbände kann nützlich sein. Der effizienteste und schnellste Weg ist jedoch, sich an Datenbanken wie zum Beispiel Fundraiso.ch oder StiftungSchweiz.ch zu wenden.»
Eine Aktennotiz kann zur Vorbereitung nützlich sein
Buchautorin Bortoluzzi Dubach rät geldsuchenden Wissenschaftlern, für sich selbst eine Aktennotiz über ihr Projekt zu erstellen: «Die Forschenden geben darauf einen kurzen Überblick über ihr Projekt. Sie beschreiben, was sie als Wissenschaftler auszeichnet, worum es im Projekt konkret geht und was die Alleinstellungsmerkmale des Projektes sind.» Der gesellschaftliche und wissenschaftliche Mehrwert sowie die Erfüllung des Stiftungszwecks müsse mit der Notiz schnell und klar kommuniziert werden. Dies diene unter anderem der Identifizierung von Schlüsselwörtern, die für die Suche nach geeigneten Stiftungen in den Datenbanken nützlich seien und einer optimalen Formulierung der Anträge.
Forschung mit Hilfe von spezialisierten Plattformen finanzieren
Den Forschenden stehen für die Finanzierung ihrer Projekte neben den Schweizer Plattformen auch Online-Dienste wie Research Professional, Research Connect oder Scientify Research zur Verfügung. Was diese Plattformen gemeinsam haben: Sie führen Datenbanken, welche die Forschenden dabei unterstützen, eine massgeschneiderte Auswahl an Finanzierungsmöglichkeiten für ihr Projekt zu finden. Research Professional, Research Connect und Scientify Reasearch sind ausländische Unternehmen. Ihre Datenbanken beschränken sich nicht nur auf Stiftungen. Schweizer Universitäten und Fachhochschulen arbeiten mit einigen dieser Plattformen. Somit sparen sie sich Zeit und Mühe bei der Suche nach Finanzierung ihrer Projekte.
Das sind die grössten Förderstiftungen der Schweiz
Jacobs Foundation: Die Förderstiftung mit Sitz in Zürich ist eine der vermögendsten Förderstiftungen der Schweiz. Die Jacobs Foundation verfügt über Gelder in der Höhe von 7 Milliarden Franken. Sie ist im Bereich der Kinder und Jungendentwicklung tätig. Ihr Ziel: Alle Kinder sollen Zugang zu Bildung und Lernmöglichkeiten haben.
Ernst Göhner Stiftung: Sie schüttet jährlich vornehmlich Gelder in den Bereichen Kultur, Umwelt, Soziales, Bildung und Wissenschaft aus. Die Ernst Göhner Stiftung hat wie die Jacobs Stiftung ein Stiftungsvermögen von knapp 7 Milliarden Franken. Sie ist Gründungsmitglied von SwissFoundations, dem Verein der Förderstiftungen in der Schweiz.
Sandoz-Familienstiftung: Die Sandoz-Familienstiftung ist keine gemeinnützige Stiftung. Sie engagiert sich aber auch in Bereichen wie Innovation, Wissenschaft und Kultur. Die Sandoz Stiftung ist an der Pharmafirma Novartis beteiligt, besitzt Luxus-Hotels und Uhrenfirmen und ist in der Forschungs- und Kulturförderung aktiv. Aus diesem Grund ist sie bei Fundraisern, Hoteliers, Uhrmachern, Kulturschaffenden und Forschern beliebt. Die Sandoz Familie betreibt insgesamt 3 Stiftungen: Die «Sandoz-Fondation de Famille» – geschätztes Vermögen 7 Milliarden Franken, die «Fondation Edouard et Maurice Sandoz» – geschätztes Vermögen 25 Millionen Franken und «La Fondation Philanthropique Famille Sandoz».
Tipps für das Stiftungsfundraising
- Stiftungszweck: Ziele, Zielgruppen und Wirkungen des Projektes müssen mit dem Stiftungszweck übereinstimmen. Achten Sie bei der Stiftung auch detailliert auf Fördergebiete und -kriterien.
- Timing: Bei Stiftungsgesuchen muss das Timing stimmen. Die Abgabefristen und die Daten von Vergabesitzungen finden Sie in der Regel auf der Website der jeweiligen Stiftung.
- Finanzierung: Jede Stiftung hat andere Vorgaben. Informieren Sie sich vor einem Antrag im Detail über die Auflagen. Hat die Stiftung zum Beispiel eine Höchstsumme in den Statuten festgelegt, die sie nicht überschreiten darf? Gelegentlich müssen auch Eigenmittel vorhanden sein, um von der Stiftung überhaupt gefördert zu werden.
- Gesuchsformulierung: Setzen Sie bei Stiftungsanträgen auf eine einfache, leicht verständliche Sprache. Bedenken Sie: Der erste Empfänger bei einer Stiftung ist meist keine Fachperson in Ihrem Fachgebiet.
- Sprache: Finden Sie heraus, in welcher Sprache das Gesuch eingereicht werden muss. Wenn eine Stiftung in der Deutschschweiz ihren Sitz hat, heisst das nicht zwingend, dass ihr Gesuch auf Deutsch verfasst werden darf.
- Versandart: Klären Sie ab, ob die Stiftung ihr Fördergesuch per Post oder E-Mail erhalten möchte. Es gibt immer noch zahlreiche Stiftungen, die ein postalisches Gesuch verlangen.