
Das US-Unternehmen Salesforce vermietet Online-Geschäftsanwendungen. Die Kundenbeziehungsmanagement-Software lässt sich ortsunabhängig im Internet-Browser bedienen. Stiftungen und Vereine sollten die sogenannte «Nonprofit Cloud» vor einer Anschaffung auf Herz und Nieren prüfen. Fundraiso zeigt die Vor- und Nachteile des CRM-Systems.
Salesforce wurde 1999 in Kalifornien gegründet und ist gemäss eigenen Angaben Weltmarktführer bei sogenannten «Customer Relationship Management»-Plattformen (CRM). Salesforce gehört mit einem Umsatz von rund 13,3 Milliarden US-Dollar im 2019 zu den Software-Giganten wie SAP oder Microsoft mit der CRM-Lösung «Microsoft Dynamics 365». Ein Vorteil der Salesforce-Plattform für das Kundenbeziehungsmanagement: Die Software läuft nicht auf lokalen Rechnern in den Organisationen, sondern online in einer Cloud bzw. «Datenwolke». Experten reden auch von «Cloud-Computing».
Software, Daten- und Rechenpower sind in der Cloud
Anwender können Salesforce im Internet-Browser bedienen und damit im Team einfach zusammenarbeiten und Daten teilen. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie und einem notwendigen Trend zum Home-Office ist das ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber lokal installierten Software-Produkten. Unternehmen wie auch Non-Profit-Organisationen können mit Cloud-Lösungen bei ihrer eigenen Informatik-Infrastruktur und dem IT-Personal Kosten einsparen. Die Auslagerung von Geschäfts- bzw. Spenderdaten auf externe Datenspeicher und Rechner ist aus Sicht des Datenschutzes und der Datensicherheit aber auch heikel. Cloud-Lösungen benötigen zudem stabile und schnelle Internet-Verbindungen.
Rasche Einarbeitung und hohe Anwenderfreundlichkeit
Eine Prüfung der kostenlosen Salesforce-Testversion macht klar: Die Benutzeroberfläche von Salesforce ist auch für Laien intuitiv verständlich. Salesforce bietet zudem viele Online-Schulungsvideos an. Das alles macht die Software rasch einsetzbar, flexibel und für viele Organisationen interessant. Zusätzlich zu den von Salesforce entwickelten Lösungen liefert der sogenannte AppExchange über 5000 Anwendungen, welche kostenlos oder gegen Bezahlung dazu erworben werden können (Recruiting, Sales, Marketing, Finance, etc.). Mit dabei sind auch viele Schnittstellen für NPOs. Nicht von Salesforce programmierte Lösungen können über Standard-API-Schnittstellen in die Salesforce-Plattform eingebunden werden.
Erste 10 Abos sind für NPOs kostenlos
Salesforce bietet Non-Profit-Organisationen das sogenannte «Nonprofit Success Pack» (NPSP) für die ersten 10 Abos kostenlos an. Ob eine Organisation die NPO-Kriterien von Salesforce erfüllt, lesen Sie hier. Konkret sind im NPSP-Paket das Beziehungs-, Freiwilligen- und Spendenmanagement sowie die Grundlagen der Fördergeld- und Mitgliederverwaltung enthalten. NPOs erhalten in Salesforce einen ganzheitlichen Überblick über Unterstützer, Geldgeber und Spender und sind so überall und zu jeder Zeit informiert über den Verlauf von finanziellen Flüssen und Aktivitäten. Mit dazu gibt es Interaktionspläne und mehr als 70 Berichte. Tilman Höffken hat früher bei Salesforce Deutschland gearbeitet. Er war im Bereich Geschäftsentwicklung und Verkauf tätig und für die Marktstrategie in den DACH-Ländern verantwortlich. Aktuell ist er Head of Product & Cloud Solutions bei der ANT-Informatik-Gruppe. Er sagt: «Die Rabatte bei Salesforce betragen für Non-Profit-Organisationen mindestens 50 Prozent vom offiziellen Listenpreis».
Standard-Software braucht 3 bis 6 Monate Einführungszeit
Doch Organisationen müssen bei der NPSP-Version mit hohen Datenmigrations- und Implementations-Kosten rechnen. Salesforce empfiehlt, bei der Einrichtung bzw. Integration von Salesforce mit einem Partner zusammen zu arbeiten. Mögliche Integrationspartner sind zum Beispiel Nexell, ANT-Informatik, Price Waterhouse Coopers (PwC). Alexander Schultz-Wirth, Partner FS Technology bei PwC in Zürich, sagt: «Aus unserer Erfahrung lässt sich bei kleineren Unternehmen, die sich stark am Salesforce-Standard orientieren, eine Einführung in 3 bis 6 Monaten realisieren. Die Einführungszeit wird durch die Anzahl Schnittstellen sowie den Grad der kundenspezifischen Konfigurationen getrieben.» Tilman Höffken von ANT-Informatik betont, dass «Schweizer NPOs genügend Zeit und Ressourcen für die Einführung von Salesforce einplanen müssen». Es brauche zum Beispiel auch intern Personen, welche sich mit der Software auskennen.
Beschwerdestelle nutzt Salesforce seit 2009
Ruth Mettler Ernst ist Geschäftsleiterin der «Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter» (UBA) in Zürich. Der gemeinnützige Verein nutzt Salesforce bereits seit 2009. Ruth Mettler Ernst sagt: «Wir erfassen die Beschwerdefälle mit Adressen aller in den Fall Involvierten sowie den notwendigen Unterlagen und übergeben das Dossier den Fachpersonen zur Bearbeitung. Wir dokumentieren den Fallverlauf von Anfang bis Ende mit der Software. Die Statistik unterstützt uns bei Leistungsnachweisen für unsere Geldgeber. Die Adressverwaltung nutzen wir aktiv für Serienmailings und Serienbriefversände.» Auch 11 Jahre nach der Einführung arbeite die Organisation gemäss Geschäftsleiterin «gerne» mit Salesforce.
Fazit: Noch stehen die meisten Stiftungen und Vereine vor der Herausforderung, digitale Lösungen in ihrer Arbeit umfassend zu nutzen. Trotz vieler Chancen muss jeder Organisation klar sein, dass eine Salesforce-Implementierung zeitaufwändig und personalintensiv ist. Es gilt vor einer Anschaffung einen detaillierten Anforderungskatalog zu erstellen und mit Hilfe von Testversionen zu prüfen, welche Module effektiv für den eigenen Einsatz benötigt werden und was die Folgekosten einer Anschaffung, Datenmigration, System-Integration, Ausbildung und Support sind. Eine erfolgreiche Einführung gelingt nur, wenn die Einführung nicht nur die Aufgabe der Informatik-Abteilung ist, sondern ein Prozess, an welchem sich das Management und alle Mitarbeitenden aktiv beteiligen.
Bernhard Bircher-Suits, FundCom AG
Das sollten Organisationen über Salesforce wissen
- Die Oberfläche von Salesforce ist benutzerfreundlich und individualisierbar. Die Software lässt sich ortsunabhängig mit Hilfe eines Web-Browsers bedienen. Salesforce gibt es für die Schweiz in Deutsch, Französisch und Italienisch – sowie in Englisch.
- Salesforce stellt pro Organisation die Mindest-Speicherkapazität von 10 Gigabyte (GB) zur Verfügung. Wer mehr Speicher will, zahlt zusätzlich.
- Salesforce nutzt die eigene Programmiersprache Apex. Die Verwendung der eigenen Programmiersprache erschwert die Anpassung des CRM-Systems und erfordert spezielle Entwicklerkenntnisse. Jedoch hilft die Schulungsplattform von Salesforce "Trailhead" Entwicklern bei System-Anpassungen.
- Die Basis-Version für NPOs bietet bereits für viele Anwendungen umfangreiche Funktionen. Nützliche Zusatzmodule, wie zum Beispiel das Modul Marketing-Automation oder Donor Journey, kosten Aufpreis – wie auch eine lokale Backup-Möglichkeit.
- Die Software bzw. das CRM-System wächst mit einer Organisation mit. Mietlizenzen kann man rasch und einfach dazukaufen.
- Einen grossen Fehler begehen Organisationen, wenn sie die alten Prozesse eins zu eins im neuen Salesforce-System abbilden möchten. Damit vergeben sie sich eine grosse Chance auf Innovationen.
- Die Mitarbeiter sind gefordert, sich von den bekannten Abläufen zu lösen, um den vollen Nutzen und Wert von Salesforce zu realisieren.
- Organisationen sollten nicht nur die allfälligen Mietkosten im Auge behalten, sondern auch die Kosten für Implementierung, Anpassung, Migration, Integration und Support.
- Wer sich von Salesforce trennen will, muss die gespeicherten Daten aufwändig wieder aus Salesforce abziehen.
- Das Schweizer Datenschutzgesetz verlangt nicht, dass in Salesforce erfasste Personendaten zwingend in der Schweiz gespeichert werden müssen. Bedingung bei einer Speicherung auf ausländischen Servern ist aber, dass die Kunden darüber informiert werden und dies auch akzeptieren.
- Der Salesforce-Support muss als einzelner Kostenfaktor berücksichtigt werden.
3 Kommentare zu “Salesforce: Das sind die Chancen und Risiken für Non-Profit-Organisationen”
Ich habe den Eindruck, dass Salesforce wohl ein fähiges System liefert, dass es allerdings eine Illusion wäre zu glauben, dass dies alles ohne Kosten im Rahmen der 10 Gratis-Nutzerlizenzen ablaufen könnte.
Ich habe Salesforce bei einer Schweizer Nonprofit Organisation mit einem 10-köpfigen Fundraising Team eingeführt und stimme dem Fazit dieses Artikels zu: Das System ist sehr individualisierbar doch dadurch auch relativ komplex von der Datenarchitektur her. Das Innovationspotential ist enorm. Die Herausforderungen rund um „user adoption“ sollten nicht unterschätzt werden: es braucht Zeit und eine Strategie um BenutzerInnen einzuführen und den Mehrwert dieses Systems zu erkennen. Wenn man es einfach wie ein Excel nutzt, wird man schnell frustriert sein – es gilt, den Spring in eine Daten-basiere Kultur zu wagen. Darin sehe ich eine riesige Chance für NPOs: Salesforce macht es leicht, Daten zu erfassen und zu analysieren. Ich würde empfehlen, gezielt in Reporting-skills des Teams zu investieren, so dass alle AnwenderInnen motiviert und befähigt werden, Daten zu generieren und auszuwerten. Anwendungsbeispiel: scoring von SpenderInnen gemäss ihren Interessen, ihrem Spendenpotential, etc. Darauf aufbauend können dann unterschiedliche und teilautomatisierte Spender Journeys entwickelt werden. Um das Potential zu nutzen braucht es einen Product Owner: Eine Person, die sich sowohl im strategischen Fundraising auskennt sowohl als auch das technische Interesse hat (die praktischen Skills kann man sich dank der hervorragenden Trainingsunterlagen erarbeiten, es braucht keine Programmiererfahrung) das System zu entwickeln, denn eines ist klar: bei Salesforce wird man immer mit cutting-edge Technologie bedient (es gibt 2-3 Releases pro Jahr) und wird somit eingeladen, sich ständig weiter zu entwickeln.
Guten Tag Frau Henke: Mit welchem Dienstleister haben Sie Salesforce eingeführt? Oder könnten Sie mich auf LinkedIn vernetzen. Merci!