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Bildrechte: © Prof. Dr. iur. Swen Bäuml
Originalsprache des Artikels: Deutsch

Herr Bäuml, Sie sind Berater zahlreicher Familienunternehmen innerhalb der eigenen Beratungsgesellschaft „INFOB – Family Office für Family Offices“. Erzählen Sie uns doch kurz Ihren Werdegang und wie es dazu kam, dass Sie INFOB gegründet haben?

Ich hatte die Gelegenheit, recht früh in meinem Berufsleben als Wirtschaftsjurist und steuerlicher Berater unmittelbar an der Schnittstelle der Unternehmens- und Vermögensebene einerseits und der Inhaber-/Familienebene andererseits tätig sein zu dürfen. Dies als externer Berater in verantwortlicher Position bei internationalen Beratungsgesellschaften wie auch als InHouse-Family Officer in einem der größten Familienunternehmen weltweit. Die Sicht des Inhabers auf das Gesamtvermögen im privaten wie betrieblichen Bereich, dessen eigene Risiko- und Chancenevaluierung und die maßgeblichen Kriterien für inhaberstrategische Entscheidungen unter Berücksichtigung auch der Familiensphäre eröffnen eine beachtliche Bandbreite an Themen und Instrumenten der Umsetzung.
Unsere Beratungsgesellschaft INFOB – ‚In Family Owned Business‘ wurde gegründet, um dem spezifischen Anspruch vermögender Unternehmerfamilien im DACHLIE-Bereich im Rahmen der steuerlichen Strukturierungsberatung, bei Nachfolgethemen, aber auch bei Generationen- und Nachfolgemanagement wie auch der Organisation von Family Office- Strukturen umfassender und auf höchstem Niveau Rechnung tragen zu können. Dies erfordert eine hohe Spezialisierung im Team und einen unbedingten Qualitäts- und Serviceanspruch als Manufaktur individuell maßgeschneiderter Beratungslösungen. Das bilden wir auch durch unsere interne Organisation und Aufstellung ab, indem wir Einiges anders machen als branchenüblich ist. Wir freuen uns, dass unsere INFOB bereits mit dem ersten Tag ihrer Gründung hervorragend auf Mandantenseite angenommen worden ist.

Sie tragen zudem den Titel «Zertifizierter Family Officer (FvF)». Können Sie für die Laien unter uns kurz einen Überblick geben, was zunächst mal ein Family Office ist und was die Rolle eines Family Officers?

Die Frage ist durchaus komplex zu beantworten, da zumindest bei den Single Family Offices ein hoher Grad an Individualisierung der Organisations- und Dienstleistungsstruktur besteht; hier ist sozusagen jedes Family Office das individuelle Spiegelbild der jeweiligen Vermögensinhaber und deren Anforderungen.
Allgemein kann man sagen, dass ein Family Office eine Familie bzw. einen Vermögensinhaber (Single Family Office) oder mehrere Familien bzw. Vermögensinhaber (Multi Family Office) bei der ganzheitlichen Steuerung und Bewirtschaftung des Vermögens unterstützt. Kennzeichen und Unterscheidungsmerkmale zu reinen Vermögensverwaltern sind regelmäßig eine langfristig ausgerichtete, generationsübergreifende Anlage- und Verwaltungsstrategie (SAA). Hinzu kommen auch die Professionalisierung der Familiensphäre z.B. durch Familienstrategien und auch der (ideellen wie materiellen) Vermögenssphäre außerhalb der unternehmerisch-operativen Aktivitäten.
Das Family Office ist hinsichtlich seiner strategischen Beratung der Prinzipalfamilie ganzheitlich orientiert und ein Family Officer sollte daher in der Lage sein, Beratungs-, Kontroll- und Steuerungsfunktionen in allen Assetklassen ohne eigene Produkt- und Vertriebsinteressen wahrzunehmen. Als Trusted Advisor ist der Family Officer der Prinzipalfamilie und deren wirtschaftlicher Unabhängigkeit verpflichtet.

Sie sind Mitinitiant und Hauptdozent des neuen Lehrgangs «Family Office und Strategische Philanthropie» an der Universität Luzern, welcher im kommenden Herbst startet. Was haben Family Offices mit Philanthropie zu tun?

Meine persönliche Motivation, den neuen Lehrgang «Family Office und Strategische Philanthropie» an der Universität Luzern mit zu initiieren resultiert aus der Beobachtung, dass sich Family Offices und vermögende Familien zunehmend mit einer wirkungsstiftenden Verwendung ihrer Mittel auseinandersetzen. Die Gründe liegen häufig in einer Vielzahl von Faktoren wie z.B. Generationswechseln, gesamtgesellschaftsrelevanten Entwicklungen und auch persönlichen Erfahrungen wie auch der Inspiration durch Vorbilder und Beispiele. Gesamtgesellschaftliches Engagement, Impact Investing und auch das Bedürfnis, „etwas zurückzugeben“ an die Gesellschaft spielen hier hinein. Häufig fehlen aber die notwendigen Kenntnisse zum „Wie und Wann und Wo“.
Mit dem neuen Lehrgang «Family Office und Strategische Philanthropie» an der Universität Luzern soll ein Forum geschaffen werden, das zugleich Inspiration und Beispiele zugänglich und erfahrbar macht – daher freuen wir uns über die mitwirkenden Philanthropen und Beispielsgeber. Es sollen aber auch der organisationelle und regulatorische Rahmen, die Grundlagen des „Wie und Wann und Wo“ vermittelt werden durch Spezialisten und Insider aus den Bereichen Management, Recht & Steuern, Reporting und Organisation.

An wen richtet sich dieser neue Lehrgang im Besonderen – wer ist die Zielgruppe?

Der Lehrgang richtet sich grundsätzlich an all jene, die sich mit dem Gedanken tragen, ein philanthropisches Engagement einzugehen, sich mit der Frage der Umsetzung und der Organisation auseinandersetzen möchten, insbesondere aber auch Beispielsgeber und Best Practise-Ansätze kennenlernen möchten. Nicht zuletzt wird auch ein Forum zum wechselseitigen Austausch entstehen können, von dem auch bereits etablierte philanthropische Engagements sicherlich profitieren können.
Konkret ist die Zielgruppe bestehend aus PhilanthropInnen, VermögensträgerInnen sowie (leitenden) MitarbeiterInnen von Familienholdings sowie (Single – und Multi-) Family Offices. Wir erwarten aber durchaus, dass sich auch Mitglieder von vermögenden Familien für eine Teilnahme begeistern, die sich selbst als „NextGen“ in der Vorbereitung auf eine Funktionsverantwortung befinden.

Funktionieren Family Offices in der gesamten DACH-Region gleich oder gibt es Unterschiede in den verschiedenen Ländern?

Aufgrund des oben bereits erwähnten hohen Grads an Individualisierung der Organisations- und Dienstleistungsstruktur im Family Office Bereich ist im internationalen Kontext eine große Bandbreite an Ausprägungen zu finden. Insbesondere im DACHLIE-Bereich ist sicherlich ein überwiegend gemeinsames Verständnis dahingehend vorhanden, dass neben der professionellen klassischen, aber eher substanzschutzorientierten Vermögensbewirtschaftung in strategischer Hinsicht ein Family Office v.a. die Unabhängigkeit der Familie über mehrere Generationen sicherstellen soll. Dazu gehören überwiegend auch das Management der Familiendynamik, der Nachfolge und der generationsübergreifenden systemischen Herausforderungen.
Dieser eher „dynastische“ Gedanke ist in den anglo-amerikanischen Family Office-Strukturen deutlich geringer ausgeprägt. Weshalb dort die reine Vermögensoptimierung stärker gewichtet wird und weniger der Substanzerhalt als die absolute Rendite zum Steuerungsinstrument eines Family Office gehört.
Gerade nach Generationswechseln werden europäisch geprägte Family Offices immer mehr auch zur Plattform für die Umsetzung innerfamiliärer Werte, die dann zu gemeinnützigem Engagement und auf der Vermögensebene zu ESG-Investments, Impact-Investments und der Schaffung z.B. auch von Stiftungsstrukturen führen. Dies erfordert hohe spezielle Expertise im Family Office oder in dessen Netzwerk, in der Regel auch zusätzlichen Personalbedarf jenseits der ursprünglichen Kernaufgaben aus der Vergangenheit.

Family Offices sind interessant für gemeinnützige Organisationen, die nach Grossspendern suchen. Doch wie sieht es umgekehrt aus – welche gemeinnützigen Organisationen kommen auf den Radar von Family Offices?

In der Tat leben die gemeinnützigen Engagements von Großspenden und das sog. Fundraising hat daher eine hohe Bedeutung. Relativierend muss man aber sagen, dass das „Werkzeug“ Spende nur eine Ausprägung der Umsetzung philanthropischen Engagements ist und es eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten gibt, die wir nicht zuletzt im Lehrgang vorstellen und beschreiben werden. Das Fundraising ist in der Wahrnehmung vieler Family Offices bzw. vermögender Familien mittlerweile zu einem „Battle“ geworden und die Flut von Angeboten zum gemeinnützigen Engagement gleich welcher Ausprägung ist enorm; der quasi „aufgedrängte“ Selektionsaufwand wird daher zunehmend gescheut und ist insbesondere für personell eher klein besetzte Family Offices nur schwer zu bewältigen.
Aus Sicht der vermögenden Familien wird stattdessen zunehmend aktiv auf vorher aus der Analyse heraus identifizierte Organisationen und Projekte zugegangen. Diese Selektion findet zum Teil sehr strategisch „im Stillen“ statt, oft unter Inanspruchnahme von externer Beratung oder auch auf Empfehlung und Hinweise von Vertrauenspersonen, nicht selten „peer-to-peer“.
Die Tendenz geht zunehmend in Richtung Impact-Investing und Transparenz, man wünscht sich die Messbarkeit von Wirkung auch im gemeinnützigen Bereich, wie man es aus der Vermögensbewirtschaftung im Controlling anhand von Kennzahlen kennt.
Dies muss durch entsprechende Voraussetzungen auch im Zielinvestment, dem letztlichen gemeinnützigen Engagement sichergestellt sein. Wer dies sicherstellen kann, kommt im Selektionsprozess für Family Offices auf den Radar.

Zum Abschluss: Man hört immer wieder, dass sich Family Offices philanthropisch engagieren, weil dadurch Steuervergünstigungen erzielt werden. Sie sind auch Steuerberater. Wie schätzen Sie das ein – hat Philanthropie in einem Family Office immer etwas mit Steuerersparnissen zu tun?

Gemeinnütziges, gesamtgesellschaftliches Engagement in all seinen Facetten trägt zu einem Mehrwert in vielen Bereichen bei. Häufig und v.a. historisch betrachtet sind dies oft auch Bereiche, in denen der Staat sich zurückhält, sei es wegen knapper Kassen oder weil zivilgesellschaftlich eine prominente Rolle des Staates nicht erstrebenswert ist. Dieser altruistische Ansatz wird auch in den meisten Ländern durch die Steuergesetzgebung incentiviert, z.B. durch teilweise oder vollständige Steuerbefreiung der gemeinnützigen Vermögensträger wie etwa Stiftungen oder die Abzugsfähigkeit von entsprechenden Spenden in gewissem Umfang.
Die aktive Nutzung von Steuerprivilegien für Gemeinnützigkeit und Philanthropie primär zur persönlichen (familiären oder betrieblichen) Steueroptimierung kommt selten bis nie vor. Die Motivation zu gesamtgesellschaftlichem, ideellem Engagement liegt nahezu immer woanders. Wenn dabei etwas Steuern gesenkt werden können, ist das allenfalls ein willkommener Begleiteffekt, selten aber ein echter Entscheidungsgrund. Anders verhält es sich bei Familienstiftungen, die die Versorgung der Familie als Hauptzweck haben und eben nicht die Gesamtgesellschaft.
In einigen wenigen Situationen finden sich gemeinnützige Unternehmensträgerstiftungen; hier soll der Erhalt des Unternehmens durch steuerfreie Übertragung der Anteile auf die Stiftung und zugleich der Erhalt der Arbeitsplätze durch die Rechtsform Stiftung sichergestellt werden. Die Erträge aus dem Unternehmen werden dann gemeinnützig verwendet. Da kommen Steuerersparnis und Gemeinnützigkeit zusammen, oft auch in Kombination mit einer daneben tretenden Familienstiftung (sog. Doppelstiftung).

Pubblicato in Intervista

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