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© Sophie Hundertmark
Originalsprache des Artikels: Deutsch

1. Frau Hundertmark, Sie sind eine ausgewiesene Expertin im Bereiche der Chatbots. Können Sie uns etwas über sich erzählen und wie es dazu gekommen ist, dass Sie heute Beratungen zu Chatbots und ChatGPT anbieten?

Um ehrlich zu sein, kam das eigentlich alles ganz natürlich und eher ungeplant zustande. Ich wählte 2018 ziemlich zufällig für meine Masterarbeit das Thema Chatbots aus. Als ich die Arbeit abgegeben hatte, bekam ich plötzlich von einem ziemlich grossen Schweizer Konzern die Anfrage für einen Vortrag zu dem Thema Chatbots und KI. Und dann ging alles eigentlich eher «automatisch»: Ich bekam erste Beratungsmandate und weitere Vortragsanfragen. Um dem ganzen eine Struktur zu geben, habe ich dann noch meinen Podcast zu dem Thema angefangen und mein erstes Buch geschrieben. Jetzt habe ich gerade das 2. Buch beim Verlag eingereicht und befinde mich zusätzlich zu meiner Beratung mitten in meiner Doktorarbeit.

2. Gleich zu Beginn die Frage, welche heute viele Personen beschäftigt: Braucht es uns Menschen in paar Jahren noch im Büro oder werden die künstlichen Intelligenzen den grossen Teil unserer heutigen Büroarbeit übernehmen?

Nein, das glaube ich auf keinen Fall. Aber unsere Arbeit wird sich verändern, wir werden immer mehr mit KIs zusammen arbeiten. Es wird dann immer mehr unsere Aufgabe, zu entscheiden, wann wir welche KI nutzen und wann wir uns selbst an die Arbeit machen. (Hier ein Video, was heute schon möglich ist.)

3. Erklären Sie uns doch bitte den Unterschied zwischen ChatGPT und anderen Chatbots.

Im Folgenden schildere ich gerne die wichtigsten Unterschiede:

Architektur und Funktionsweise:
  • Klassische Chatbots: Diese basieren häufig auf regelbasierten Systemen. Das bedeutet, sie verfolgen eine Art "Wenn dies, dann das"-Logik. Sie haben vorgegebene Skripte oder Entscheidungsbäume, um auf Benutzeranfragen zu reagieren. Oftmals sind sie auf spezifische Aufgaben beschränkt, für die sie programmiert wurden.
  • ChatGPT (wie OpenAI's GPT-Modelle): Diese basieren auf neuronalen Netzwerken, insbesondere auf Transformer-Architekturen. Sie werden nicht explizit programmiert, um auf spezifische Fragen zu antworten, sondern werden an riesigen Datenmengen trainiert, um sprachliche Muster zu erkennen und darauf zu reagieren. Das ermöglicht eine flexiblere und kontextabhängige Antwortgebung.
Flexibilität:
  • Klassische Chatbots: Sie sind in ihrer Antwortgebung oft starr und können außerhalb ihres programmierten Skripts oder Entscheidungsbaums nicht effizient funktionieren.
  • ChatGPT: Dank ihrer Trainingsdaten können diese Modelle kreativer und adaptiver auf eine Vielzahl von Anfragen reagieren, auch auf solche, die während des Trainings möglicherweise nicht explizit gesehen wurden.
Training und Entwicklung:
  • Klassische Chatbots: Sie werden in der Regel durch manuelle Skripterstellung und Definition von Regelsets erstellt.
  • ChatGPT: Sie werden durch maschinelles Lernen an riesigen Textdatensätzen trainiert. Dies erfordert erhebliche Rechenressourcen und spezialisierte Kenntnisse in den Bereichen Deep Learning und NLP.
Fehleranfälligkeit:
  • Klassische Chatbots: Sie können bei unbekannten Anfragen leicht durcheinander kommen oder standardisierte Antworten liefern, die nicht zum Kontext passen.
  • ChatGPT: Während sie flexibler sind, können sie manchmal Antworten geben, die plausibel klingen, aber inhaltlich ungenau oder sogar falsch sind, da sie nicht explizit "wissen", sondern Muster aus ihren Trainingsdaten replizieren.
4. Gemeinnützige Organisationen sind selten unter den «First Mover», wenn es um die Anwendung neuer Technologien geht. Welche Chancen sehen Sie konkret für gemeinnützige Organisationen bspw. im Fundraising oder auch anderen Bereichen hinsichtlich der Nutzung dieser Technologien ?

Ja das stimmt wohl, ich denke aber gerade da NPOs häufig grossen Kosten- und Personaldruck haben, kann ChatGPT hier wirklich sinnvoll Anwendung finden. Folgend einige einfache Beispiele:

Automatisierung von Kundenanfragen und Unterstützung im Chat
Viele Anfragen von Unterstützern, Hilfesuchenden oder anderen Anspruchsgruppen können mit Hilfe eines automatisierten Chatbots beantwortet werden. Chatbots, die Generative AI nutzen – also die Technologie von ChatGPT, klingen sehr natürlich und können eine Vielzahl von Nutzeranfragen beantworten. Die Chatbots nutzen dazu vorhandenes Wissen der Webseite oder anderen Informationsquellen und kombinieren diese mit spezifischen Vorgaben der NGOs (beispielsweise Vorgaben zur Tonalität.). Mehr zu Generativen AI Chatbots in einem meiner letzten Beiträge. Und wie so ein Chatbot in der Praxis aussieht, könnt ihr am Beispiel der Helvetia Schweiz nachlesen.

Hilfestellung bei der Recherche und Informationsbeschaffung für Kampagnen und Projekte
Ein grosser Bestandteil der Arbeit in NGOs sind Kampagnen oder Projekte, die auf gut recherchierten Informationen basieren. Diese Recherchearbeit erfordert meist viel Zeit und Ressourcen. ChatGPT kann hier die Mitarbeitenden unterstützen, indem es beispielsweise erste Recherchen „selbst“ durchführt. Mitarbeitende können die Ergebnisse von ChatGPT anschliessend als Grundlage nehmen und dann weiter darauf aufbauen.

5. Lohnt es sich für gemeinnützige Organisationen jetzt schon zu investieren oder wäre es sinnvoll eine beobachtende Rolle einzunehmen und die Entwicklung der Technologie abzuwarten?

Nein, ich würde auf keinen Fall warten, sondern jetzt direkt starten. Ich habe in diesem Blog-Beitrag einige sehr nützliche Tipps zum Nachmachen für NGOs zusammen gefasst.

6. Das neue Datenschutzgesetz ist am 1. September 2023 in Kraft getreten. Inwieweit stellen sich bei der Nutzung dieser Anwendungen datenrechtliche Risiken?

Natürlich gibt es bei der Nutzung von ChatGPT einige Aspekte, die im Hinblick auf den Datenschutz und die Sicherheit beachtet werden müssen. Generell gilt, dass alle Informationen, die Mitarbeitende an den Chatbot ChatGPT tragen, von dem KI Modell verarbeitet werden und auch für weitere Trainingszwecke der KI genutzt werden können. Daher empfiehlt es sich, keine schützenswerten oder vertraulichen Daten mit dem Chatbot ChatGPT auszutauschen. (Mehr zum Datenschutz und ChatGPT findet man auch in diesem Beitrag). Weiter gilt zu beachten, dass ChatGPT auf einem grossen Wissen aus dem Internet basiert. Dabei sind nicht alle Informationen immer richtig. Es kann also sein, dass ChatGPT eine fehlerhafte Wissensquelle nutzt und daher auch eine falsche Antwort produziert. Umso wichtiger ist es, dass alle Ergebnisse von ChatGPT jeweils kritisch von uns Menschen hinterfragt werden.

7. Zum Abschluss: Sie bieten verschiedene Dienstleistungen an. So beispielsweise Workshops und Beratungen. Was bieten Sie konkret für gemeinnützige Organisationen an?

Grundsätzlich biete ich für gemeinnütze Organisationen genau das Gleiche, wie auch für Banken, Versicherungen und andere Unternehmen an. Denn ich denke, unabhängig von der Branche kann ChatGPT von allen Unternehmen genutzt werden. Natürlich sind die Inhalte und Usecases bei NPOs eher auf Fundraising und andere Themen ausgerichtet, als vielleicht bei Banken oder Versicherungen. Der wirkliche Unterschied ist aber der Preis. Ich möchte, dass sich jede gemeinnützige Organisation die Nutzung von ChatGPT leisten kann. Daher passe ich meine Tagessätze meist an die finanziellen Mittel der Organisationen an. Mehr Informationen dazu auf meiner Webseite: sophiehundertmark.com.

Veröffentlicht unter Digitalisierung

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