
Bildrechte: © Ludwig Schedl
Originalsprache des Artikels: Deutsch
In meiner beruflichen Laufbahn hat sich schon relativ früh die Überzeugung eingestellt, dass es höchst sinnvoll und notwendig ist, Kooperationen einzugehen. Jede Organisation – mit ihren Mitarbeiter/innen und freiwilligen Helfer/innen – kann vom regelmäßigen Austausch mit anderen profitieren, was Strukturen, Kompetenzbildung und die Professionalisierung anbelangt. Das war auch der Hintergrund als während meiner Zeit als WWF-Projektleiter für Osteuropa erste Dachverbände, wie das ÖKOBÜRO, initiiert wurden. Auch in meiner Zeit als Geschäftsführer des WWF Österreich war es mir ein wichtiges Anliegen, Synergien und gemeinsame Arbeitsplattformen im Dritten Sektor zu fördern. Durch starke Plattformen, Netzwerke und gemeinsame Projekte können zivilgesellschaftliche Entwicklungen einfach besser vorangetrieben werden – das war mein grundlegender Zugang, als ich 2007 die Geschäftsführung des Fundraising Verband Austria übernommen habe. Man muss als einzelne NPO nicht alles selbst machen, den Kampf für seine Mission alleine führen. Vielfach können Ressourcen gemeinsam besser und effizienter genutzt werden. Dieser Ansatz ist bis heute zum Erfolgsrezept des FVA geworden.
Lässt sich der Fundraising Verband Austria mit Swissfundraising vergleichen – was ist die Rolle/ Mission des Verbandes?Die vorrangige Mission des Fundraising Verband Austria ist die Stärkung und Professionalisierung des Fundraising-Sektors in Österreich. Dabei setzen wir auf Aus- und Weiterbildungsangebote am Puls der Zeit und Vernetzungsplattformen für alle entsprechenden Fundraising-Fachgebiete. In diesem Punkt ist uns Swissfundraising sehr ähnlich. Was uns allerdings unterscheidet, ist, dass der Fundraising Verband Austria kein Verband von Einzelpersonen, sondern ein Dachverband von Spendenorganisationen ist. Dies macht natürlich nicht zuletzt auch für unsere politische Vertretungsarbeit einen erheblichen Unterschied in puncto „Schlagkraft". Eine Vielzahl an NPO-Gemeinschaftsinitiativen unter Einbindung von Unternehmen, Stiftungen und vor allem der Zivilgesellschaft runden das Gesamtbild des FVA ab und tragen wesentlich dazu bei, eine Kultur des Gebens in Österreich zu etablieren.
Für Fundraising-Kollegen und -Kolleginnen in der Schweiz wäre es interessant zu wissen, wie man institutionelles Fundraising in Österreich betreibt. Denn die Anzahl gemeinnütziger Vergabestiftungen ist ja deutlich kleiner verglichen mit der Schweiz, Liechtenstein oder Deutschland. Haben Firmen oder Kirchen eine grössere Rolle in der Spendenlandschaft? Können Sie uns einen Überblick geben?Österreich ist traditionell ein Land der Kleinspender – das sehen wir nicht zuletzt anhand unserer Analysen für den jährlichen Spendenbericht. Unter anderem hängt dies damit zusammen, dass sich der Stiftungssektor nach dem Zweiten Weltkrieg anders als in Deutschland oder eben der Schweiz entwickelt hat. Privatstiftungen wurden vorrangig aus eigennützigen, nicht aus gemeinnützigen Überlegungen heraus gegründet, wodurch im Vergleich zu den beiden Nachbarländern viel Kapital im privaten Sektor verblieben ist. Hinzu kommt, dass steuerliche und rechtliche Anreize für Stiftende von politischer Seite über lange Strecken ausgeblieben sind. Der Verband für gemeinnütziges Stiften ist einer der jüngsten Verbände in Österreich – dies spricht eine eindeutige Sprache hinsichtlich des Entwicklungsstandes. In Summe trägt der Stiftungsbereich derzeit rund 10% zum Spendenaufkommen von insgesamt 900 Mio. Euro bei. Zum größten Teil sind die bestehenden Stiftungen operativ tätig, und nicht als Vergabestiftungen. In der Wirtschaft ist die Situation ähnlich – es gibt relativ wenige Unternehmensstiftungen und dementsprechend auch wenig Fördertätigkeiten.
Inwieweit schaut man im Fundraising Österreichs in die Nachbarländer? Werden auch Stiftungen in den Nachbarländern für Spenden angefragt?Österreichs Fundraiser/innen blicken natürlich sehr interessiert auf die Erfolge in der Schweiz und Deutschland, gerade wenn es um Großspenden und Stiftungszuwendungen geht. Wir schauen aber auch mit großem Interesse auf die blühende Stiftungslandschaft in Liechtenstein, wo zahlreiche vorwiegend im Ausland wirkende Stiftungen anzutreffen sind. Auch für Österreich wird das Engagement internationaler Stiftungen immer wichtiger und nimmt bereits seit Jahren einen wachsenden Anteil am Spendenaufkommen ein.
Gemäss Spendenreport 2022 der Stiftung Zewo und Swissfundraising werden erst gerade 3.4% der Spenden mit digitalen Zahlungsmitteln getätigt. Wie ist die Entwicklung der Digitalisierung in Österreich – sind digitale Zahlungsmittel für Spendenzahlungen schon etablierter als in der Schweiz?Beim Thema Online-Spenden zeigt sich in Österreich ein ähnliches Bild. Digitale Zahlungsprozesse sind zwar weit verbreitet, in der Hauptgruppe Spendender allerdings weniger stark als gesamtgesellschaftlich. Nachdem dies primär ein Generationenthema ist, erwarten wir jedoch eine weitere kontinuierliche Zunahme. Ein regelrechter Boom beim Online-Spenden hat sich insbesondere zu Beginn der Pandemie eingestellt, aber auch angesichts anderer akuter Krisenfälle, wie beim Ausbruch des Ukraine-Krieges und zuletzt beim Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Offenbar wirken Katastrophenfälle als starke Triebfeder für das Spenden auf digitalen Wegen. Der Instagram-Spendenaufruf des Österreichischen Roten Kreuzes für die Erdbebenopfer hat zuletzt innerhalb weniger Tage über 6 Mio. Euro an Spenden eingebracht. Dabei zeigte sich, dass die Spenden nicht nur aus Österreich, sondern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum kamen. Dieser grenzenlose Charakter ist aus meiner Sicht ein Kennzeichen des digitalen Spendens und wird daher in Zukunft noch mehr Gewicht im österreichischen Spendenwesen bekommen.
Gemäss des bereits oben erwähnten Spendenreports macht in der Schweiz jede 5. Person ein Testament. Jedes 14. Testament berücksichtigt eine gemeinnützige Organisation. Wie bedeutend ist der Anteil der Nachlassspenden in Österreich?Laut Umfrage des Market-Instituts im Auftrag von „Vergissmeinnicht" – der mit über 100 Mitgliedsorganisationen größten Initiative des FVA – haben rund 30% der Österreicher/innen über 40 Jahre bereits ein Testament gemacht. Jede/r sechste davon kann sich mittlerweile vorstellen, einen Teil des Nachlasses gemeinnützigen Zwecken zu widmen. Auch das Wissen über die Möglichkeit zur Testamentsspende ist durch das umfassende Informationsangebot von Vergissmeinnicht auf Rekordniveau: 90% der Bevölkerung wissen, dass man auch eine gemeinnützige Organisation testamentarisch bedenken kann. 2022 haben heimische NPOs erstmals über 100 Mio. Euro in Form solcher Spenden erhalten. Damit kam jeder neunte Spendeneuro aus einem Testament. Im Gegensatz zu konkreten Anlässen, wie der Soforthilfe, sind Testamentsspenden aber für die einzelnen Organisationen natürlich nicht plan- und kalkulierbar, wodurch sie ihre Wirkung weniger für die operative Arbeit entfalten, sondern primär den Samen für neue Projekte bilden.
Was sind die nächsten anstehenden Initiativen des Fundraising Verband Austria?„Vergissmeinnicht" zählt neben der „Qualitätsinitiative Fördererwerbung", die für einheitlich hohe Standards im Face-to-Face-Fundraising eintritt, oder der Initiative „Wirtschaft hilft", die mehr Engagement von Unternehmen für gemeinnützige Projekte anregt, zu unseren langjährigsten Gemeinschaftsprojekten. Neu ins Leben gerufen wurde gemeinsam mit mehreren führenden NPOs des Landes im Vorjahr die „Initiative Philanthropie", die es sich zum Ziel gesetzt hat, Großspenden anzukurbeln. Hintergrund ist, dass speziell das Spenden von Hochvermögenden deutlich hinter seinem Potenzial zurückliegt. Österreich hat mit 46 Milliardär/innen und 160.000 Euro-Millionär/innen zwar eine größere Dichte an Vermögenden als zum Beispiel Deutschland, während dort aber fast 50% des gesamten Spendenaufkommens von der Personengruppe mit dem höchsten Einkommen stammen, liegt der vergleichbare Wert in Österreich bei unter 10%.
Im Zuge der Initiative läuft derzeit eine IHS-Studie mit Interviews unter vermögenden Personen. Im Sommer werden die Ergebnisse präsentiert, begleitet von entsprechender Öffentlichkeitsarbeit, um dem wohltätigen Engagement Vermögender auch mehr gesellschaftliche Wertschätzung entgegenzubringen.