
Originalsprache des Artikels: Deutsch
Herr Panzera, Sie haben im Jahre 2020 die Fondazione Centro di Competenze non profit CENPRO gegründet. Welche Ziele verfolgt die Stiftung genau?Nachdem ich rund 15 Jahre in der Deutschschweiz gelebt hatte, kehrte ich aus familiären Gründen ins Tessin zurück und wollte etwas Sinnvolles mit meinen im Laufe der Jahre erworbenen Non-Profit-Kenntnissen machen. Die Stiftung CENPRO ist ein Kompetenzzentrum zur Förderung und Entwicklung des gemeinnützigen und philanthropischen Sektors in der italienischen Schweiz. Ziel ist es, die Interessen dieses Sektors abzudecken, ihn mit Fachwissen zu versorgen und zu vernetzen. CENPRO unterstützt Organisationen dabei, effizient, professionell und wirkungsorientiert zu arbeiten.
Es fällt auf, dass die Stiftung genau zu Beginn der Covid-Zeit gegründet wurde. Inwieweit wurde die Entwicklung der Stiftung dadurch tangiert?Die Stiftung CENPRO wurde am 01.03.2020, gerade 15 Tage vor dem allgemeinen Lockdown, gegründet. Daher wurde die Planung des ersten und zweiten Jahres an die Situation angepasst. So wurde zum Beispiel der erste Kongress um ein Jahr verschoben. Diese Situation hat uns nicht destabilisiert, im Gegenteil, sie hat uns gestärkt und wir haben sie als Herausforderung angenommen. Es war gut, gleich zu Beginn der Pandemiekrise damit zu starten, denn so konnten wir z.B. unsere Organisation sofort digitalisieren und dem Dritten Sektor, der es unbedingt benötigte, Unterstützung geben. Wir haben die ersten Online-Kurse sowie die ersten Begleitungen und Projekte per Videokonferenz durchgeführt. Ich kann heute sagen, dass es eine Chance war.
Im Tessin sind rund 820 gemeinnützige Stiftungen registriert. Was denken Sie, welche Bedeutung hat der Tessiner Stiftungssektor für den Rest der Schweiz und wie gut kennt man die Stiftungen des Tessins bspw. in der Deutschschweiz?Das Tessin ist traditionell ein "Land der Philanthropie" mit vielen Stiftungen. Landesweit steht der Kanton an sechster Stelle, was die Anzahl der Stiftungen betrifft. In den letzten Jahren war die Gesamtsumme aus aufgelösten und gegründeten Stiftungen stets positiv, was ein wichtiger Indikator für die Entwicklung des Sektors ist. Die grossen nationalen Stiftungen sind auch hier bekannt, weil sie Tessiner Projekte mitfinanzieren. Nur sehr wenige Tessiner Stiftungen sind in der Deutschschweiz bekannt und aktiv, da sie die meisten Projekte im Tessin oder im Ausland unterstützen. CENPRO trägt zu einem verstärkten philanthropischen Nord-Süd-Austausch bei.
Wie sieht es mit der Beziehung zu Italien aus – gründen Italiener/innen gerne Stiftungen im Tessin und sind Tessiner Stiftungen auch gerne in Italien aktiv?Der Dritte Sektor in Italien ist historisch gesehen gut entwickelt und organisiert. Der Austausch von Fachwissen ist sehr gut und die Bereitschaft voneinander zu lernen ist groß. Es ist ein Privileg für uns, Zugang zum italienischen Nonprofit Sektor zu haben, von dem wir viel profitieren können. Auf der Ebene der Förderstiftungen gibt es in Italien eine Vielzahl von Unternehmensstiftungen, die hauptsächlich mit Banken verbunden sind.
Es gibt Italiener/innen, die in unser Land gezogen sind oder über Kapital in der Schweiz verfügen, mit dem sie eine Stiftung zu günstigen Konditionen gründen. Diese haben oft eine internationale Reichweite mit einem Schwerpunkt in Italien.
Die Stiftung CENPRO organisiert einmal im Jahr eine Konferenz für den Dritten Sektor. Am 1. Oktober 2022 wird es der "Nonprofit Day" für operative Organisationen geben. Der Inhalt dieses Tages besteht aus alltäglichen betrieblichen Themen und zeigt praktische Instrumente auf, die in der eigenen Organisation angewendet werden können. Am 28. September 2023 findet die "Biennale della filantropia" für philanthropische Akteure statt. Während des Jahres veranstalten wir auch Anlässe, die einerseits fachliche Inputs liefern und andererseits zur Vernetzung dienen.
Zum Abschluss: Beraten Sie auch potentielle Stifter und Stifterinnen, die gerne eine Stiftung gründen würden im Tessin oder auch ausserhalb des Tessins?Die Gründung einer Stiftung ist ein sehr tiefgreifender und zugleich anspruchsvoller philanthropischer Akt. Der entscheidendste und wichtigste Moment liegt vor der Gründung. Unsere Sprachkompetenz ist Italienisch. Jede und jeder, die diesen wichtigen Schritt im Tessin tun möchte, kann sich an uns wenden, da wir hauptsächlich in der italienischen Schweiz tätig sind.
Veröffentlicht unter Interview, Stiftungen Schweiz