Bild Andreas Schiemenz

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Originalsprache des Artikels: Deutsch

Herr Schiemenz, Sie sind im deutschsprachigen Raum eine bekannte Persönlichkeit innerhalb der Non-Profit-Szene. Könnten Sie uns dennoch kurz eine Zusammenfassung zu Ihrer Person und Werdegang geben?

Sehr gerne. Studiert habe ich nach meiner Berufsausbildung die Fächer Betriebswirtschaftslehre, Soziologie, Recht und Volkswirtschaftslehre. Mein Diplom habe ich als Volkswirt in Hamburg gemacht. Als Arbeiterkind musste ich mein Studium selbst finanzieren, was in mir die Leidenschaft für den Verkauf geweckt hat. Und gleichzeitig habe ich im Studium gemerkt, wie wenige Arbeiterkinder an der Hochschule waren. Das war der Grund, warum ich mit anderen ein Jugendzentrum in Hamburg gegründet habe, um mich für Menschen einzusetzen.
Ende der 90er Jahre wollte ich das Verkaufen und die Gemeinnützigkeit miteinander verbinden. Und bei dieser Synthese kommt Fundraising heraus. Meine ersten hauptamtlichen Sporen habe ich bei der Berliner Stadtmission verdient und konnte später meine Erfahrungen und Leidenschaften bei der Johanniter-Unfall-Hilfe einsetzen. So war ich u.a. beim Aufbau von Aktion Deutschland Hilft beteiligt und hatte einen guten Einblick in die Fundraisingwelt.
Doch bei all diesen wundervollen Aufgaben fehlte mir immer wieder der Blick in die Gruppe der Großspendenden, eine wichtige Zielgruppe im Fundraising, über die jedoch nur wenig bekannt war. Daher war der Perspektivenwechsel für mich ein großer Gewinn. Im Wealth Management einer norddeutschen Landesbank konnte ich die Philanthropie-Beratung aufbauen und dabei zahlreiche vermögende Personen und deren Engagement kennenlernen. Diese Erfahrungen haben mich dazu bewegt, noch stärker in die Philanthropie zu gehen und so bin ich schlussendlich bei SINNGEBER gelandet.

Nun sind Sie Geschäftsführer der Sinngeber gGmbH. Die Unternehmung nennt sich auf der Webseite «Das philanthropische Family-Office». Können Sie uns den Begriff erklären?

Vielleicht sollte ich die zwei zentralen Begriffe aus meiner Sicht erläutern. Philanthropie ist für mich das finanzielle Engagement von vermögenden Personen und Familien, die mit ihrem Vermögen eine gesellschaftliche Verpflichtung verbinden. Der Begriff Family-Office kommt aus der Vermögensverwaltung, denn unter einem solchen Dach werden entweder von einzelnen Familien oder auch von mehreren Personen und Familien die finanziellen Mittel verwaltet, investiert oder angelegt.
Und genau mit diesem Ziel treten wir auch an. Unsere Aufgabe ist es, für mehrere Familien ihr philanthropisches Kapital zu strukturieren, gemeinsam mit Ihnen Projekte zu suchen und die Mittelverwendung zu überprüfen. Wir arbeiten also wie ein klassisches Family-Office, wobei jedoch unser Ziel nicht darin liegt, das Geld zu vermehren, sondern es in die Zivilgesellschaft zu geben. Es wirft also keine finanzielle Rendite, sondern einen gesellschaftlichen Mehrwert ab.

Geben Sie uns bitte einen Blick hinter die Kulissen– wer sind die Gründer/innen und welche Mission verfolgt die Sinngeber gGmbH?

Unsere Gesellschafterin ist die Hoffnungsträger Stiftung, die durch den Philanthropen Tobias Merckle ins Leben gerufen wurde. Der Vorstand der Stiftung, Marcus Witzke, unser Stifter und ich haben das Konzept für SINNGEBER auf Basis unserer gemeinsamen Vision entwickelt.
Diese Vision ist schnell beschrieben: wir wollen mehr philanthropisches Engagement anstoßen. Denn viele Menschen sind sich nicht sicher, ob sie den richtigen Weg eingeschlagen haben, einige sind auch mit ihren Engagements unzufrieden. Das liegt an ganz vielen unterschiedlichen Gründen, die wir analysieren und Lösungen herausarbeiten. Da wir eine gemeinnützige Gesellschaft sind, ist eben nicht unser Profit im Zentrum, sondern wir dienen der Philanthropie und den Menschen, die sich engagieren.

Der Think Tank Milken Institute hält in einem Artikel „Philanthropie in a Family-Office“ fest, dass sich die Mehrheit aller Family-Offices weltweit philanthropisch engagieren. Worin unterscheidet sich die Sinngeber gGmbH von anderen Family-Offices?

Wir freuen uns sehr über dieses großartige Engagement, das die betreuten Personen über die Family-Offices ausüben. Genau das wollen wir, dass dieses Engagement zum Selbstverständnis in jedem Family-Office und auch im Wealth Management wird. Viele Family-Offices haben besondere Schwerpunkte in der Vermögensverwaltung, die jeweils den Erwartungen der Mandantschaft geschuldet sind. Wir unterscheiden uns darin, dass wir nur eine einzige Anlageklasse abbilden: nämlich Philanthropie. Mit dieser Spezialisierung sind wir eine Ergänzung zu den vorhandenen Vermögensverwaltungen. Unsere Expertise ist dabei unsere Stärke. Denn wir machen den ganzen Tag nichts anderes, als philanthropisches Engagement zu strukturieren und zu begleiten.

Welchen Stellenwert hat der Schweizer Markt für die Sinngeber gGmbH im Vergleich zu Deutschland und Österreich?

Die Schweiz ist eines der vermögendsten Länder der Welt. Die Menschen hier haben gelernt, mit diesem vielen Geld national und international umzugehen. Das spürt man natürlich, wenn man in Basel, Zürich, Bern oder Genf unterwegs ist. Was man auch spürt, ist die gesellschaftliche Verantwortung der Philanthropinnen und Philanthropen. Gerade die Unternehmerfamilien zeigen sehr deutlich, dass der Erfolg auch eine Verantwortung für die Gesellschaft beinhaltet. Eine Haltung, die wir auch in Deutschland erleben.
Doch in der Schweiz sind die Wege deutlich kürzer als in Deutschland. Dadurch ist der Austausch unter den Philanthropinnen und Philanthropen intensiver und insgesamt Philanthropie sichtbarer. Daher ist die Schweiz für alle, die sich mit der Philanthropie beschäftigen, ein wichtiger Markt. Auch für uns als SINNGEBER. Daher ist es selbstverständlich, dass wir auch Vermögende in der Schweiz mit unserem Angebot ansprechen. Darüber hinaus leben in der Schweiz einige vermögende Familien aus Deutschland und einige deutsche Managerinnen und Manager sitzen hier in den Vorstandsetagen von international agierenden Firmen.

Was unterscheidet die philanthropische Tätigkeit eines Family-Office von jener einer klassischen gemeinnützig wirkenden Stiftung?

Aus meiner Sicht gibt es einige Unterschiede. Wir sind nicht auf bestimmte inhaltliche Themen fokussiert. Darüber hinaus fördern wir nicht direkt oder führen auch keine eigenen Projekte durch. Daher können unsere Mandanten mehrere Stiftungen fördern.
Wir sind sicherlich freier in der Beratung. Und ein weiterer Unterschied liegt sicherlich auch darin, dass unser Fokus nicht auf den Projekten liegt, sondern auf den Personen oder Familien, die mit uns zusammenarbeiten. Wir haben also einen distanzierten Blick auf die unterstützten Projekte oder Organisationen und können dadurch ganz klar die Stärken und Schwächen benennen. Hierbei hilft uns sicherlich auch die Benchmark aus verschiedenen Projekten und Organisationsstrukturen.

Sie sind ein Philanthropie-Experte, der sich im gesamten DACH-Raum auskennt. Deshalb fragen wir sie direkt: Welcher Standort ist Ihrer Meinung nach aktuell der attraktivste, um philanthropisch tätig zu sein?

Ich lebe in Hamburg, aus meiner Sicht ist diese auch eine der attraktivsten Städte mit einer langen bürgerschaftlichen Tradition. Doch so leicht lässt sich diese Frage nicht beantworten, denn viele Menschen wollen sich regional engagieren. Aus meiner Sicht spielt die individuelle Vorliebe der Gebenden eine zentrale Rolle. Und sicherlich ist ein attraktiver Standort auch bei der Entscheidung über einen Stiftungssitz ein wichtiger Faktor. Und da hat die Schweiz mit ihrer Infrastruktur, den Seen und Bergen sicherlich keinen Nachteil. Darüber hinaus spricht auch die lange philanthropische Tradition, die Stellung in der Politik und der Öffentlichkeit für die Schweiz.

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