
Originalsprache des Artikels: Deutsch
Hart umkämpfter Spendenmarkt
Eine vollständige Deckung des Ressourcenbedarfs aus Umsatzerlösen ist für satzungsgemäss nicht vorrangig auf die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke, sondern am Gemeinwohl orientierte Körperschaften oft unmöglich. Gemeinwohlorientierte Organisationen stellen im Unterschied zu Wirtschaftsunternehmen oftmals immaterielle (Vertrauens-)Güter und Dienstleistungen zur Disposition, welche mitunter nur teilweise oder gar nicht von ihren Leistungsempfängern bezahlt werden. Somit müssen benötigte Ressourcen – neben Finanzmitteln sind dies Sach- und Dienstleistungen wie u.a. Aufmerksamkeit, Freiwilligendienste, Infrastruktur, Werbeleistungen und Wissenstransfer - durch Fundraising-Massnahmen beschafft werden. Sämtliche Fundraising-relevante Ressourcen werden über Beziehungen zu Privatpersonen und zu Schlüsselakteuren in Stiftungen, Unternehmen, Service Clubs und Behörden eingeworben. Der Aufbau dieser vertrauens- und reputationsgebundenen Beziehungen erfolgt über eine komplexe Instrumentenvielfalt einschliesslich persönlicher Gespräche, sowie über verschiedenste digitale und analoge Kanäle.
Auch in der durch eine vielzitiert ungebrochene Bereitschaft zu Spenden und Freiwilligenengagement gekennzeichneten Schweiz haben Fundraising-Verantwortliche vielfältige Herausforderungen zu bewältigen: Am umkämpften, fragmentierten und durch zunehmenden Kosten- und Legitimationsdruck gekennzeichneten Spendenmarkt müssen sie ihre Organisationen als vertrauenswürdige Akteure positionieren, Spendende überzeugen und möglichst langfristig für ihre Anliegen gewinnen, um die Mittelbeschaffung sicherzustellen. Immer häufiger können Projekte nur über eine Zusammenarbeit heterogener, aus privaten und öffentlichen Handlungsträgern bestehender Akteurskonstellationen finanziert und umgesetzt werden. In Netzwerkstrukturen müssen hybride Leistungs- und Finanzierungsstrukturen geschaffen werden, um die Finanzmittel nicht nur untereinander, sondern auch im Zeitablauf des Projekt- bzw. Organisationsmanagements abzustimmen und die Zahlungsfähigkeit der Organisationen zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten.
Gleichzeitig sind generationenspezifische Tendenzen eines Wandels des Spendenverhaltens feststellbar: Während ältere Menschen, die nach wie vor bedeutendste Zielgruppe im Fundraising, noch verhältnismässig häufig als Mitglieder oder treue Spender/innen oft jahrelange Loyalität gegenüber spezifischen Organisationen pflegen, ist innerhalb jüngerer Generationen ein zunehmend projektgebundenes, hybrides, organisationsunabhängiges Spendenverhalten erkennbar. Botschaften und Medienmix und Kanäle müssen im Hinblick auf diese Entwicklung überdacht und konzipiert werden, wenn generationenübergreifend Spendende gewonnen und gebunden werden sollen. Eine zunehmende Vielfalt an (Online-) Kommunikationskanälen bietet Fundraising-Verantwortlichen einerseits zahlreiche Optionen, Ziel- und Bezugsgruppen Botschaften zu übermitteln und in Kontakt zu treten. Andererseits besteht angesichts einer Vielfalt der auf dem Meinungsmarkt vertretenen Themen, Framings, Zielgruppen, Plattformen und Instrumente selbst für erfahrene Fachleute die Gefahr eines Orientierungsverlusts.
Fundraising ist Ackerbau und Viehzucht - nicht Jagen und Sammeln.
So lautet der vielzitierte Ausspruch des Theologen und Fundraisers Lothar Schulz. Eine mittelfristige, nachhaltige Sicherung der Ressourcengrundlage von Organisationen ist nicht durch vereinzelte ad-hoc-Massnahmen im Sinne des Jagens und Sammelns möglich. Mit der Bezugnahme auf Ackerbau und Viehzucht als metaphorische Anspielungen auf landwirtschaftliche Arbeitslogiken charakterisiert Schulz das Fundraising-Management als zeitintensives, kontinuierliche (Entwicklungs-)Arbeit erforderndes Fachmetier, welches auf die Grundwerte, Ziele und Strategien des Organisationsmanagements abzustimmen ist.
Die Komplexität der Rahmenbedingungen der Mittelbeschaffung verlangt von Fundraising-Verantwortlichen viel Professionalität im Sinne der Fähigkeit der systematischen Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle aller Aktivitäten der Ressourcenbeschaffung unter Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Interessen der Ressourcenbereitstellenden. Erfolgreiches strategisches und operatives Fundraising-Management verlangt fundierte Kenntnisse des gesamten Instrumentariums der Ressourcenbeschaffung sowie ethischer und rechtlicher Handlungs- und Legitimitätsspielräume. Erfolgreiches Fundraising-Management verlangt weiterhin die Fähigkeit, politische und sozioökonomische Entwicklungen sowie (kommunikations- und alltags-)kulturelle Spezifika frühzeitig bezüglich ihrer möglichen Auswirkungen auf Spendenverhalten zu interpretieren.
Fundraising-Management ist Beziehungsarbeit.
Beziehungen leben von gegenseitiger Wahrnehmung und Austausch durch Kommunikation, von Authentizität und Vertrauen. Gemeinnützige Organisationen bieten Vertrauensgüter an, deren Qualität und «Vertrauenswürdigkeit» ihre Bezugsgruppen nicht immer überprüfen können. Der Aufbau von Vertrauen und Reputation bei den Zielgruppen der Mittelbeschaffung verlangt authentische Kommunikation mit glaubwürdigen, emotionalen Botschaften. Nur auf Bedürfnisse, Interessen und Kommunikationsverhalten der Zielgruppen abgestimmte kommunikative Qualitäts- und Vertrauenssignale und Kommunikationsinstrumente dienen auch wirklich der Erreichung potenzieller Spendenwilliger. Vertrauensgebundene Beziehungen müssen mittelfristig gewachsen sein, wenn ein tragfähiges unterstützendes Verhalten für gemeinnützige Projekte daraus entstehen soll. Interessierte und Spendende möchten erfahren, wofür konkret ihre Ressourcen verwendet werden, was sie bewirken, wie ihr Engagement nutzt. Neben dem «roten Faden» einer mittelfristig durchgeplanten Fundraising-Strategie ist also eine transparente Kommunikation mit Beziehungen konstituierenden Botschaften an Interessierte, Fördernde, Unterstützende auf der Grundlage einer mittelfristigen Kommunikationsstrategie unabdingbar. Diese muss alle relevanten Bezugsgruppen innerhalb wie ausserhalb der Organisation erfassen.
Fundraising als Organisationsprinzip
In Anbetracht eines zunehmenden Verdrängungswettbewerbs und rückläufiger Zuwendungen der öffentlichen Hand bei gleichzeitig zunehmend komplexen Herausforderungen und Aufgaben im Sozialbereich gewinnen ein bedürfnisorientiertes, strategisch geplantes Fundraising- und Kommunikations-Management für Nonprofit-Organisationen die Bedeutung potenziell entscheidender Wettbewerbsfaktoren. Fundraising erweist sich dabei als langfristiger, zielgerichteter Prozess und als Organisationsprinzip, welches systematische Planung, eine kontinuierliche Koordination aller Aktivitäten und nachvollziehbare Wirkungsmessung erfordert. Dieser Prozess bietet Organisationen zahlreiche Chancen: Um zielgruppen- und bedürfnisorientiert Fundraising-Management zu betreiben, müssen sich die Verantwortlichen mit der Struktur der eigenen Organisation auseinandersetzen, wodurch nach «innen» wie nach «aussen» das Organisationsprofil geschärft werden kann. Ihre Marktkenntnisse versetzen sie in die Lage, ihre Organisationen proaktiv in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Die mittelfristige Planung und Wirkungsmessung gewährleistet Handlungssicherheit, Effizienz und klare Aufschlüsse über Zielerreichung, Erfolge und Misserfolge.
Dr. Sonja Schüler
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Hochschule für Wirtschaft
Institute for Competitiveness and Communication ICC
Riggenbachstrasse 16
4600 Olten
sonja.schueler@fhnw.ch
Veröffentlicht unter Fundraising, NPO-Kommunikation