Die Sandoz-Familienstiftung ist am Pharmariesen Novartis beteiligt, besitzt mehrere Luxus-Hotels und Uhrenfirmen und ist in der Forschungs- und Kulturförderung aktiv. Die neue «Fondation Philanthropique Famille Sandoz» befindet sich derweil noch «in einer Phase der Strategieentwicklung». Fundraiso zeigt, welche Projekte die drei Sandoz-Stiftungen unterstützen und wie Fundraiser an Geld kommen.

Bereits Kinder kennen den Namen «Sandoz». Wer Husten hat, erhält vom Arzt gelegentlich einen Sirup vom Generika-Hersteller Sandoz verschrieben. Das Unternehmen ist gemäss eigenen Angaben «einer der Weltmarktführer» bei solch patentfreien Arzneimitteln. Das Unternehmen wurde 1886 ursprünglich als Schweizer Chemieunternehmen «Kern & Sandoz» in Basel gegründet. Der Hauptsitz von Sandoz liegt heute aber im deutschen Holzkirchen nahe München.

Aus Sandoz und Ciba-Geigy wurde Novartis

Sandoz ist gemäss eigenen Angaben Weltmarktführer bei «generischen» Antibiotika und vertreibt Pharma-Produkte in mehr als 160 Ländern. 1996 führte der Zusammenschluss der Schweizer Unternehmen Sandoz und Ciba-Geigy zur Gründung des Basler Pharmariesen Novartis. Novartis bündelte im Jahr 2003 ihr Generika-Geschäft dann unter der bereits etablierten Marke Sandoz neu. Als Novartis-Tochter erwirtschaftete Sandoz im Jahr 2019 einen Umsatz von fast 10 Milliarden US-Dollar. Die Sandoz-Familienstiftung hält über die Beteiligungsgesellschaft Emasan AG in Basel 3.45 Prozent des Aktienkapitals von Novartis. Die Familienstiftung erhält gemäss verschiedenen Quellen Jahr für Jahr rund 200 bis 250 Millionen Franken an Dividenden von Novartis ausbezahlt.

Novartis-Beteiligung alimentiert Sandoz-Familienstiftung

Der Name Sandoz ist daher nicht nur für hustende Menschen ein Heilsbringer, sondern löst auch bei Fundraisern, Hoteliers, Uhrmachern, Forschenden sowie Kulturschaffenden monetäre «Heilserwartungen» aus. Wer auf Fundraiso.ch nach dem Namen «Sandoz» sucht, erhält eine Trefferliste mit sechs Stiftungen mit «Sandoz» im Namen. Folgende Stiftungen sind mit der milliardenschweren Familien-Dynastie verbunden:

  • Die 1964 gegründete «Sandoz-Fondation de Famille» mit Sitz in Glarus. Das Vermögen dieser staatlich nicht beaufsichtigten Familienstiftung schätzt Fundraiso.ch auf rund sieben Milliarden Franken. Stiftungssprecher ist Jörg Denzler. Er arbeitet für die kommerzielle «Sandoz Family Office SA» in Pully bei Lausanne. Verwaltungsratspräsident dieser Aktiengesellschaft ist der Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer Thomas Stenz aus Küsnacht (ZH). Stenz ist Verwaltungsratsmitglied bei Allreal, ehemaliger Ernst & Young-Partner und führt das Unternehmen AAC Consulting AG in Zürich. Er sei gemäss telefonischer Auskunft «vor allem als Finanzexperte und Berater auf Mandatsbasis für die Sandoz Familiy Office SA tätig.» Mit der Sandoz-Stiftung habe er direkt nichts zu tun.
  • Die 1982 gegründete Fondation Edouard et Maurice Sandoz (FEMS) in Pully bei Lausanne. Gemäss Jörg Denzler ist deren Hauptauftrag «die Förderung der Werke von Edouard Marcel Sandoz (1881-1971) und Maurice Yves Sandoz». Edouard war der künstlerisch begabte Sohn des Gründers der «Sandoz AG», Maurice sein Bruder. Fundraiso schätzt das Vermögen dieser Förderstiftung auf 25 Millionen Franken. Die FEMS verfolgt ausschliesslich künstlerische und kulturelle Ziele. Die Stiftung will auch das Kunstschaffen anregen und junge Künstler, Institutionen, Gesellschaften oder Stiftungen von öffentlichem Interesse mittels Zuschüsse, Preisgeldern oder auf andere Art und Weise unterstützen.
  • Die im November 2018 gegründete wohltätige «La Fondation Philanthropique Famille Sandoz» (FPFS). Sie hat ihren Sitz ebenfalls in Pully. Gemäss ihrem Sprecher Jörg Denzler werden in dieser Stiftung «soziale, philanthropische und mäzenatische Aktivitäten gebündelt, koordiniert und abgewickelt». Ziel der FPFS ist es, Projekte oder Institutionen in den Bereichen Bildung, Umweltschutz, Kultur, Soziales, Gesundheit und humanitäre Arbeit zu unterstützen. Schriftliche Fragen zur Vergabepraxis, dem aktuellen Stiftungsvermögen und vielem mehr liess Stiftungssprecher Jörg Denzler wegen einer «Phase der Strategieentwicklung» unbeantwortet. Es sei noch zu früh, mehr Details über diese Stiftung zu kommunizieren. Immerhin: Auf der Website gibt es ein Antragsformular. Wieviel Geld vorhanden ist, bleibt somit unklar. Immerhin sollen Gesuche innert maximal vier Monaten beantwortet werden.

Sohn des Sandoz-Gründers lancierte die Familienstiftung

Die erstgenannte «Sandoz-Fondation de Famille» zählt zu den einflussreichsten und kapitalstärksten Familienstiftungen der Schweiz. Sie wurde vom Bildhauer und Maler Edouard-Marcel Sandoz gegründet. Der Sohn des Sandoz AG-Gründers definierte als Ziel dieser Familienstiftung die Förderung des unternehmerischen Engagements mittels langfristig angelegter Beteiligungen an Unternehmen verschiedener Branchen. Neben wirtschaftlichen Kriterien geht es der Familienstiftung dabei um die Förderung von «Unternehmertum und Innovation» sowie um die «Pflege schweizerischer Unternehmer-Tradition». Ihre Investitionen sind gemäss Website auf ein strategisches Ziel ausgerichtet: «Die Erhaltung der hohen Qualität und den Schutz grundlegender sozialer Werte».

Familienstiftung hält unterschiedlichste Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen

Über verschiedene Unternehmen und Holdinggesellschaften ist die Sandoz-Familienstiftung direkt oder indirekt in den Bereichen Pharmaindustrie, Agrobusiness, Hotellerie und Uhrenindustrie tätig. In der Schweiz hat die Stiftung zum Beispiel die Uhrenmarke Parmigiani und den Uhrwerkhersteller Vaucher aufgebaut. Sie ist auch in der 5-Stern-Hotellerie tätig mit dem «Riffelalp Resort» in Zermatt, dem «Beau Rivage» in Lausanne und dem «La Palafitte» in Neuenburg. Die allen Engagements zugrunde liegende Philosophie ist gemäss Website ausgerichtet auf «technologische Innovationskraft, eine nachhaltige Entwicklung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze». Die Stiftung unterstützte bisher auch Kunst und Wissenschaft. Mehrere Sandoz-Familienmitglieder sind in der Schweiz oder im Ausland an den Aktivitäten der Familienstiftung beteiligt. Insbesondere werden die folgenden Institutionen unterstützt:

Ehemaliger ETH-Ratspräsident ist Stiftungsratspräsident

Aktuell ist Fritz Schiesser aus Glarus Süd als Stiftungspräsident der Familienstiftung tätig. Schiesser ist kein Unbekannter: Er ist Anwalt und Notar im Kanton Glarus. Von 1990 bis 2007 sass er als FDP-Mitglied für den Kanton Glarus im Ständerat. Bis ins Jahr 2007 war er zudem Präsident des Stiftungsrats des Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Bis im Frühling 2019 wirkte Schiesser auch als Präsident des ETH-Rats. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Stiftungsrecht.

Unterstützung der Sandoz-Familienmitglieder als Stiftungszweck

Kapitalbeteiligungen sind nicht das einzige Ziel der unternehmerisch tätigen Familien-Stiftung. Sie zielt auch darauf ab, die vielen Nachkommen von Sandoz mit Geld zu unterstützen. Konkret können Familienmitglieder zu Beginn ihrer Karriere, wenn sie ein eigenes Unternehmen gründen wollen, einen Betrag von der Stiftung erhalten. In einem 1998 publizierten Interview sagte der damalige Sandoz-Stiftungspräsident Pierre Landolt und amtierende Vizepräsident der Stiftung des Jazz Festivals Montreux: «Die Regel in der Familie ist einfach: Jeder hat Anspruch auf eine Starthilfe. Man bekommt einen Scheck, um sich einzugewöhnen, und dann kommt man über die Runden». Pierre Landolt war der letzte Familienvertreter im Verwaltungsrat von Novartis. Bei den Stiftungen spielen die Familienmitglieder hingegen immer noch eine entscheidende Rolle – im sogenannten Familienrat. Dieses informelle Gremium trifft sich mehrmals pro Jahr.

Mehr als 600 Anfragen pro Jahr

Die Sandoz-Familienstiftung mischt auch in der Wissenschaft und Forschung mit und stellt auch Schweizer Universitäten und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne Assistenzprofessoren- und Assistenten-Posten bereit. Die Stiftung engagiert sich auch zu Gunsten kultureller Institutionen und Veranstaltungen. Dafür stellt sie alljährlich ein Budget mit Zuschüssen zwischen 1'000 und mehreren hundertausend Franken zur Verfügung. Jedes Jahr werden gemäss der Stiftungswebsite «mehr als 600 Anfragen geprüft».

Das Engagement in Kunst und Kultur sowie der Wissenschaft läuft in der Regel aber über die «Fondation Edouard et Maurice Sandoz» (FEMS). Sie bildet das Gegenstück zu den eher wirtschaftlichen Aktivitäten der Sandoz-Familienstiftung. Die FEMS vergibt zum Beispiel jährlich einen Förderpreis über 100'000 Franken an eine Künstlerin oder ein Künstler, dessen Projekt die Jury des «Prix FEMS» überzeugt. Abwechslungsweise geht der Preis an einen Vertreter aus den Bereichen Bildhauerei, Literatur, Malerei und Musik.

Die dritte Stiftung im Bunde: Die FPFS

Die jüngste Stiftung im Dreier-Bund, die «Fondation Philanthropique Famille Sandoz» (FPFS), engagiert sich für Projekte oder Institutionen, die zur Entwicklung der Gesellschaft in der Schweiz und im Ausland beitragen. Konkretere Ziele sind Projekte oder Institutionen in den Bereichen Ausbildung, Bildung, Umweltschutz, Kultur, Soziales, Gesundheit und humanitäre Arbeit zu unterstützen. Der Stiftungsrat prüft Gesuche von Einrichtungen, die gemeinnützige Ziele verfolgen, in der Schweiz ansässig sind und in dem einen oder anderen der oben genannten Bereiche tätig sind. Gemäss Jörg Denzler werden «unpassende» Anträge an die ältere Familienstiftung an die neue «Fondation Philanthropique Famille Sandoz» weitergeleitet. Auf Anträge zur Defizitdeckung oder Gesuche von kommerziellen Einrichtungen tritt diese Stiftung nicht ein. Auch bereits durchgeführte Projekte oder Veranstaltungen haben keine Chance auf einen Geldsegen aus den Honigtöpfen der Milliarden schweren Familiendynastie Sandoz.

Bernhard Bircher-Suits, FundCom AG

Veröffentlicht unter Förderstiftungen, Fundraising

2 Kommentare zu “Dafür gibt’s Geld aus den Sandoz-Honigtöpfen”

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